Das Mysterium der positiven Erfahrungen. Teil 1

Fast die Hälfte der Deutschen über 18 Jahre hat schon einmal Erfahrungen mit homöopathischen Mitteln gemacht, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage, welche im Auftrag der deutschen Homöopathie-Union (DHU) im letzten Jahr durchgeführt wurde. Dabei gaben 76% der Befragten an, positive Erfahrungen mit der Homöopathie gemacht zu haben.

Erstaunlich, bedenkt man, dass in den Mitteln, abgesehen vom Zucker, keinerlei Wirkstoffe sind, die irgendeine pharmakologische Reaktion hervorrufen können. Sollte also tatsächlich etwas dran sein, wenn die Mehrheit der Anwender von positiven Erfahrungen berichtet? Man könnte beinahe davon ausgehen, schaut man sich die Homöopathie allerdings etwas genauer an stellt man schnell fest, das negative Erfahrungen in der Homöopathie gar nicht vorgesehen sind. Nanu, eine Therapieform, die ihr eigenes Scheitern von vornherein ausschließt? Wie soll das gehen? Und was soll man von so einer Therapierichtung halten?

Schauen wir uns die Aussagen einmal genauer an. Es gibt hierbei vier mögliche Szenarien.

  1. Man nimmt das Homöopathikum und das Leiden verschwindet. Gesorgt hat dafür natürlich das Mittel, denn der Homöopath hat direkt das passende Mittel herausgesucht. Toller Erfolg.
  2. Man nimmt das Homöopathikum und das Leiden wird stärker. Kein Problem, Homöopathen nennen das Erstverschlimmerung. Das ist eine ganz natürliche Reaktion des Körpers, die letztendlich nur zeigt, dass das Mittel wirkt, denn es verstärkt die Krankheit.
  3. Man nimmt das Homöopathikum und das Leiden verschwindet nicht. Gut, das kann passieren, schließlich kann es bei der Menge der Mittel und Symptome durchaus sein, dass man bei der Anamnese etwas übersehen hat und es ein anderes Mittel ist, dass hier hilft. Kurz nochmal das Anamnesegespräch überflogen und ein anderes passendes Mittel herausgesucht. Das sollte dann funktionieren.
  4. Das Leiden verschwindet immer noch nicht, obwohl das Homöopathikum bereits gewechselt wurde. Sollte die Homöopathie hier tatsächlich gescheitert sein? Keineswegs, denn dass das Mittel nicht funktioniert liegt entweder daran, dass der Anwender Fehler bei der Einnahme gemacht hat (Kaffee, Tee oder Alkohol getrunken, Parfum benutzt, Wollkleidung getragen, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, unvollkommener oder ganz unterdrückter Beischlaf, vergleiche Organon § 260), oder aber der Körper von der „Schulmedizin“ bereits zu sehr geschädigt wurde. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass ein Homöopath einfach nicht das richtige Mittel herausgefunden hat. Aber bitte, dass kann man doch wohl nicht der Homöopathie anlasten!

 

In all diesen Ausführungen ist tatsächlich kein Platz für ein Scheitern der Homöopathie. Und sind wir mal ehrlich, gibt es eine bessere Immunisierung gegen Kritik als Fehler per se auszuschließen und die Schuld für Versagen bei anderen zu suchen?

 

Und betrachtet man sich die ersten beiden Punkte einmal genauer wird man schnell feststellen, dass sowohl „es wird besser“ als auch „es wird schlimmer“ beide für eine Wirksamkeit der Homöopathie sprechen.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie gehen zu einem Arzt, der diagnostiziert ein Leiden, gibt Ihnen ein Medikament, das Leiden wird schlimmer und er beruhigt Sie mit den Worten „Keine Sorge, das gehört so, das zeigt dass das Mittel wirkt, alles wunderbar.“ Ab wann sollte man sich dann Sorgen machen? Zumal doch im Umkehrschluss genau dieser Punkt bedeuten müsste, dass das Mittel gar nicht funktioniert hat, wenn das Leiden ohne Erstverschlimmerung nach Einnahme verschwindet.

 

Darum musste auch noch schnell ein dritter Punkt her, denn ein wichtiger Bestandteil jedes Heilprozesses ist die Zeit. Wie heißt es so schön? Zeit heilt alle Wunden.

Der natürliche Verlauf einer Krankheit ist im weitesten ein Anstieg und ein Rückgang, welches auch bei der Regression zur Mitte der Fall ist. Beginnt man also mit dem mühsam herausgesuchten Homöopathikum beim Anstieg der Krankheit und es wird schlimmer spricht man von Erstverschlimmerung, eine Folge des Simileprinzips. Tja, nur ist die Krankheit leider noch im Anstieg und der Kunde, Verzeihung, Patient fühlt sich nicht wirklich wohler. Dann war es wohl doch nicht das richtige Mittel (obwohl die Erstverschlimmerung sehr vielversprechend war). Nehmen wir ein neues. Geben wir ihm ein bisschen Zeit. Natürlich, denn die Zeit sorgt dafür, dass die Krankheit auch wieder abklingt. Wie passend ist es doch, dass man just in dem Moment das passende Homöopathikum herausgesucht hat. Denn man sieht ja: die Krankheit verschwindet. Also muss es das Mittel gewesen sein. Ein weiterer Erfolg für die Homöopathie. Und den unterstützenden Placeboeffekt haben wir bis hier noch nicht einmal angesprochen.

 

Wo genau ist bei dieser Methode ein Versagen erkennbar? Wie kann man bei dieser Immunisierung überhaupt schlechte Erfahrungen manchen? Verwundert es da, dass die Mehrheit der Anwender von positiven Erfahrungen sprechen? Und sollte einen das  nicht wenigstens ein klein wenig stutzig machen?

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2 Gedanken zu “Das Mysterium der positiven Erfahrungen. Teil 1

  1. Ramen, Welt!

    Die Homöopathie hat auch vieles richtig gemacht. Immerhin ist sie seit 200 Jahren unverändert omnipräsent. Ich habe MIR da ein Scheibchen abgeschnitten und das Erfolgsrezept mit der heiligen Heilenergie des Fliegenden Spaghettimonsters und mit der von Eris, der schönsten aller Göttinnen, wiederholt und unabhängig von der Globulipharmamafia auf den Markt gebracht:

    http://FSMoSophica.org/2014/06/04/Die-FSMoPathie

    Ihr glaubt MIR nicht? Ich verlange keinen Glauben! Jeder von Euch ist eingeladen, meine höchst wissenschaftliche Behauptung, dass die FSMoPathie alles gleich gut heilen kann wie die Schulhomöopathie, nachzuprüfen und bei meiner Arzneimuttelprüfung teilzunehmen:

    http://FSMoSophica.org/FSMoPathic-Trial

    Ramen. Und Hail Eris.

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  2. Dalek Sander

    Zu dem vermeintlichen Widerspruch zwischen Linderung und postulierter oder tatsächlicher Erstverschlimmerung durch ein Medikament: dieser Zusammenhang ist im Artikel etwas reduziert dargestellt.

    Erstens gibt es tatsächlich Medikamente, die anfangs zu einer Verstärkung der Symptome führen können – jedenfalls für Laien wird das so wahrgenommen. Beispiel: einige Antidepressiva können bei einigen schwer depressiven Patienten suizidale Handlungen auslösen.* Dieses längst bekannte, ausreichend beschriebene, leider nicht immer vermeidbare Risiko wurde zuletzt im Fall Robert Enke publikumswirksam zum „böse Pharma“-Aufhänger.

    Zweitens gibt es Medikamente, deren mögliche paradoxe Wirkung erst zu Therapiezwecken genutzt wird. Paradebeispiel (Vorsicht, Buzzword…): Methylphenidat (MPH), als „Ritalin“ durch die Medien immer wieder getrieben. „Neurotypische“ Leute merken bei den üblichen therapeutischen Dosen von MPH bestenfalls gar nichts, schlimmstenfalls fühlen sie sich unangenehm aufgekratzt wie nach einer Tasse Espresso doppio zu viel. Bei Menschen mit ADHS führt MPH, eigentlich ja eine Stimulanz, paradoxerweise eine innere Ruhe herbei, die sie sonst nicht kennen.

    Diese und ähnliche Beispiele wissen intelligente Homöopathiker (solche gibt es ja durchaus) in Diskussionen sehr geschickt einzuflechten und natürlich zu Gunsten der HPathie herauszustellen – im Sinne: Sieht her, selbst die „Schulmedizin“… usw.

    * Das ist natürlich stark vereinfacht formuliert. Vielmehr werden autodestruktive Handlungen in solchen Fällen erst möglich gemacht, falls die antriebssteigernde Wirkung eines Medikaments der stimmungsaufhellenden zuvorkommt. Aber diese einfache Erklärung ist schon mal zu komplex für die Headlines in den Medien.

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