Nebenwirkungen? Haben wir keine. – Solltet ihr aber!

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Überall kann man es nachlesen. „Dazu gehört auch die Homöopathie, die richtig angewendet nebenwirkungsfrei ist.„;“Sie wird bei uns immer beliebter, da sie kaum Nebenwirkungen hat und auch für Laien zur Selbstbehandlung gut geeignet ist.“

Wir alle können Arzt sein ohne die Gefahr von Nebenwirkungen. Wow. Das muss man erst mal sacken lassen. Nur Wirkungen ohne Nebenwirkungen? Würde damit nicht ein lange gehegter Menschheitstraum Wirklichkeit werden? Kann das wirklich sein?

Es kann!

Nachdem sich die empörten Zwischenrufer wieder beruhigt haben und das Raunen langsam abebbt widmen wir uns doch einfach mal der Frage, wie denn unser Konzept von Nebenwirkungen in das Konzept der Homöopathie passt.

Ne̱·ben·wir·kung

Substantiv [die]

eine Wirkung, die zusätzlich zu einer anderen Wirkung auftritt und meist unerwünscht ist.

Und da frage ich mich irgendwie, welche Wirkung in der Homöopathie ist denn eigentlich unerwünscht? Was wir in der Homöopathie sehen ist der absolut gigantische Marketingstreich, sich von einem unbequemen Wort zu trennen, genau wie im Rest der Homöopathie getreu dem Motto:“Negativ? Gibt es nicht, es gibt nur positiv!“ Denn was in der Homöopathie sollen denn bitte Nebenwirkugen sein? Es gibt dort nur Wirkungen. Das genau ist doch die Idee, die hinter all dem steckt. Wie sagte schon der gute alte Hahnemann im Organon:

„Durch Beobachtung, Nachdenken und Erfahrung fand ich, daß im Gegentheile von der alten Allöopathie die wahre, richtige, beste Heilung zu finden sei in dem Satze: Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll!“

Und um zu wissen, wie man diese Leiden heilen  kann muss man erst einmal genau wissen, was das denn eigentlich hervorruft. Stichwort und Auftritt homöopathischer Arzneimitteltest. Was genau wird dort eigentlich gemacht? Ich drücke es einmal laienhaft aus. Beim Arzneimitteltest nimmt der Prüfer ein Homöopathikum über einen bestimmten Zeitraum ein und achtet auf die Symptome, die es bei ihm hervorruft. Diese werden dann notiert, gesammelt und mit anderen Prüfern verglichen.  Die meiten Übereinstimmungen bilden dann die Symptomliste. Mehr oder weniger. Das ist natürlich für den Prüfer nicht lebensgefährlich, wie man auf den Seiten des DZVhÄ nachlesen kann.

„Sofern sie lege artis durchgeführt werden, sind homöopathische Arzneimittelprüfungen keine Gefährdung der Gesundheit“.


Da kann also schon mal nichts passieren. Das macht es gleich viel einfacher. (Wenn wir uns nun gleich einmal ein Beispielhomöopathikum ansehen würde mich wirklich der Arzneimitteltest dazu interessieren) Aber als ob das nicht schon Anreiz genug wäre legt Hahnemann noch eine Schippe obendrauf und erklärt mal eben schnell die Geburt von neuen Superhelden. Kein Witz!

 „Die Erfahrung lehrt im Gegentheile, daß der Organismus des Prüfenden, durch die mehren Angriffe auf das gesunde Befinden nur desto geübter wird in Zurücktreibung alles seinem Körper Feindlichen von der Außenwelt her, und aller künstlichen und natürlichen, krankhaften Schädlichkeiten, auch abgehärteter gegen alles Nachtheilige mittels so gemäßigter Selbstversuche mit Arzneien. Seine Gesundheit wird unveränderlicher; er wird robuster, wie alle Erfahrung lehrt.“           Organon Anmerkung § 141

Je mehr die also testen, umso abgehärteter werden die. Krankheiten? Pah, prallen ab. Das bedeutet natürlich auch, dass die irgendwann gar nichts mehr beim Arzneimitteltest spüren, weil der Körper ist ja dann robuster und abgehärteter. Das sind dann halt die Nachteile von supergesund. Wir sollten eigentlich alle ständig Arzneimitteltests machen, um zu einer Spezies von Gesundheitswesen zu werden.  UND wir sollten uns einmal so ein Mittel anschauen. Denn, Sie befürchten es bereits, das Homöopathikum hat nicht  nur eine Wirkung, es hat auch jede Menge Ne…      andere Wirkungen. Sie möchten gar nicht wissen wieviele Wirkungen so ein Homöopathikum zum Teil haben kann, hör mir auf. Suchen wir uns mal eines rein zufällig aus bei repertorium-online. Z.B. Glonoinum C30 (Nitroglyzerin).

  • Abneigung, Reden
  • Als ob die Schädeldecke bersten wolle
  • Angina pectoris
  • Angina pectoris, instabile
  • Augenlidzucken
  • Epistaxis (Nasenbluten)
  • Gedächtnisschwäche
  • Gefäßspasmen
  • Gesichtsrötung
  • Glaukom
  • Hämorrhoiden
  • Herzinfarkt
  • Herzklopfen
  • Hitzewallung
  • Kollapsneigung
  • Kongestion
  • Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Mouches volantes
  • Müdigkeit
  • Myokardinfarkt
  • Nasenbluten
  • Nervosität
  • Netzhautablösung
  • Obstipation
  • Polyurie
  • Pruritus ani
  • Schmerz, pochend
  • Schmerzen, Finger
  • Schmerzen, Herz
  • Seufzen
  • Sonnenstich
  • Star, grüner
  • Stottern
  • Tachykarde Herzrhythmusstörung
  • Tinnitus aurium
  • Tremor, Finger
  • Tremor, Hände
  • Ungeduld, Eile
  • Verschwommenes Sehen
  • Verwirrtheit
  • Wie ein Band um den Kopf
  • Wundheilungsstörung

Ah, Sie haben es geschafft. Bravo. Auf einer homöopathischen Website lesen Sie zu dem Mittel übrigens

Das homöopathische Mittel Glonoinum passt zu Menschen, die hochexplosiv sind – das ist kein Wunder, denn Glonoinum wird aus Nitroglycerin hergestellt.

Ja, das Simileprinzip. Hochexplosiv lindert hochexplosives. Jetzt denken Sie noch mal daran, dass all diese Symptome natürlich auch beim Prüfer auftraten. Nicht bei einem, nein, wie bizarr wäre denn das bitte? Oben steht doch noch was von nicht gesundheitsgefährdend. Aber bei Angina Pektoris, Herzinfarkt,  oder auch Netzhautablösung wäre ich wirklich gerne bei der Arzneimittelprüfung dabei gewesen. Oder bei Schlaganfall. Was – interessanterweise – hier im Gegensatz zu vielen anderen Seiten als Symptom gar nicht aufgeführt ist.
Sieht das für Sie nach Aussortierung aus? Viele Übereinstimmungen? Stellen Sie sich das einmal vor, das wären viele Übereinstimmungen. Aber da ist auch schon wieder das nächste Problem, denn wieder kommt vom guten Hahnemann die Egopumpe:

 „Der Selbstversucher weiß es selbst, er weiß es gewiß, was er gefühlt hat, …“ Organon-Anmerkung § 141

Die™  können sich nicht mal täuschen! Natürlich sammelt sich da einiges an Daten an. Siehe oben. Und da gibt es echt noch andere Kaliber, stöbern Sie ruhig weiter durch die Seite. Führen wir uns nun allerdings noch einmal das Simile Prinzip und die Arzneimittelprüfung vor Augen fällt einem auf, dass es gar keine Nebenwirkungen in der Homöopathie geben kann. Denn wo bitte soll bei der Symptomliste noch Platz für Nebenwirkungen sein und was genau sollte diese von den Wirkungen unterscheiden? Wenn man sich jetzt noch dazu die Definition von Nebenwirkungen anschaut fragt man sich irgendwie, welche der obigen Wirkungen denn bitte erwünscht sind? Offensichtlich alle, denn sonst wären es ja Nebenwirkungen.
Aber das reicht noch nicht. Denn all diese Symptome müssten sich ja laut Simile Prinzip im Gegenzug beim Gesunden zeigen. Wenn also der Homöopathe mühsam das richtige individuelle Homöopathikum herausgesucht hat, was bitte hält dann all die anderen Ne….  Wirkungen davon ab, ebenfalls aufzutreten? Mit einem Mal nur eines?   Müssten dann nicht, folgt man den Gedankengängen und Formulierungen des Begründers, gerade sehr viele Symptome auftreten die aufzeigen, dass das Mittel wirkt? Sind dann vielleicht all die Wirkungen, die sich nicht zeigen Nebenwirkungen, die es ja eben nicht gibt? Pustekuchen. Klar, mal hier das eine oder andere. Aber hey, das addieren wir einfach zur Liste. Es kann gar keine Nebenwirkungen in der Homöopathie geben. Keine Chance. Wenn die™ also sagen, die Homöopathie ist nebenwirkungsfrei ist das tatsächlich nicht falsch. Natürlich hat sie Wirkungen. Nur oftmals nicht die, die sie sollte.

Und natürlich wissen wir ja auch, dass diese Symptome nur beim gesunden Menschen hervorgerufen werden. Beim Kranken werden alle anderen Symptome abgeblockt und nur das eine behandelt. Der Sieg des Geistes über die Materie.

Und als ob das noch nicht reicht, um dem Fass den Boden auszuschlagen können die Kranken selber dann natürlich jede Menge Fehler machen. Ganz so einfach ist dass dann mit der Homöopathie doch nicht, denn offensichtlich gilt die folgende Liste von Anwendungsfehlern nicht für die Prüfer, die den Arzneimitteltest durchführen, denn sonst hätten wir ein weiteres Problem zu denen, die wir jetzt schon haben:

 

 

2) Kaffee, feiner chinesischer und anderer Kräuterthee; Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht, sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure, alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer, aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus. Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen, gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, z. B. Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet, rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten, u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen als jedes Uebermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke; Stubenhitze, schafwollene Haut-Bekleidung, sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft, oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Lesen in wagerechter Lage, Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, Onanism oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf; Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers, vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben~ u.s.w. Alle diese Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll. Einige meiner Nachahmer scheinen durch Verbieten noch weit mehrer, ziemlich gleichgültiger Dinge die Diät des Kranken unnöthig zu erschweren, was nicht zu billigen ist.

Ehrlich, da bleibt nicht mehr viel, was man richtig machen könnte. Der letzte Satz ist übrigens mein persönliches Highlight. Da gibt es doch echt Nachahmer, die noch mehr verbieten und auch noch völlig gleichgültige Sachen! Noch mehr fällt mir irgendwie schwer zu glauben.

 

6 Gedanken zu “Nebenwirkungen? Haben wir keine. – Solltet ihr aber!

  1. Pingback: Verdammt: Das Netzwerk Homöopathie ist vollständig enttarnt worden! @ gwup | die skeptiker

  2. Julia

    Über den Aspekt der Arzneimitteltests bei Homöopathika habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht. Auch, wenn ich mich oft kopfschüttelnd gefragt habe, wie die denn auf diese Anwendungsgebiete überhaupt kommen. Schon die Tester, die Uranium oder Plutonium zu sich nehmen tun mir ja wirklich leid.
    Neulich stieß ich dann in einem Artikel über das neugegründete Netzwerk Homöopathie und der Forderung nach klarer Inhaltsstoff-Deklaration auf Excr-can. Ich dachte mir, das kann doch nur ein Fake sein. Also recherchierte ich ein wenig nach diesem Mittel und wurde sogar fündig. Nachdem ich meinen Ekel überwunden hatte und diesen Artikel lesen konnte, kam ich aus dem Lachen nicht mehr heraus. Ich fragte mich, wie man denn auf so etwas kommt! Gegen Depressionen? Suizidalität? Arbeitslosigkeit? Anorexie? Aber nun wir mir doch einiges klar!
    Wenn ich Hundesch*** essen müsste, dann würde ich auch stark depressiv werden, mich lieber umbringen wollen, mir schnellstens einen anderen Job suchen und auch nichts weiter davon verzehren wollen. Ja, mir würde übel werden und ich könnte trotz kaputter Hüfte oder geschädigten Knien sehr schnell und sehr weit laufen.
    Raus aus meinem Kopf…

    Danke für diesen aufklärenden Artikel!

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  3. Es ist für mich völlig unbegreiflich, an eine sehr große Anzahl von Menschen zu denken, denen permanent dieser Bullshit durch andere Menschen direkt ins Gesicht geschmiert wird, die diesen dann abwischen und einfach weitermachen wie zuvor. Ein Text wie dieser müsste jedem Menschen, der auch nur halbwegs seine Sinne beisammen hat, sofort den kompletten Wahnsinn der der Homöopathie innewohnt offenbaren. Nur die Angst vor der Blamage oder der Frust über die eigene Blödheit kann doch jemanden davon abhalten zu erkennen, dass das einer der größten Verarschungen ist, die die Menschen je erlebt haben.
    Hahnemann hat das als Realsatire geplant und durchgezogen und damit den größten Fake der Menschheit etabliert. Der lacht sich heute noch schlapp darüber.
    Vielen Dank für die Zeit, solche Texte zu schreiben. Möge er auf fruchtbaren Boden fallen. Schade, dass das Notwendig ist.
    LG Willi

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