Das Märchen von der pösen Pharmamafia™ – Epilog

Neues Jahr, neues Glück. Aber da war doch noch was…

Wir hatten uns ja schon einmal über einige der Mythen, Märchen und Verschwörungstheorien, die im Bezug auf die Pharmabranche von Seiten der Homöopathiebefürworter, oder sagen wir lieber allgemein der Esoterikanhänger, immer wieder auftauchen angeschaut und gesehen, dass diese bei näherer Betrachtung eigentlich vollkommen unsinnig sind, wenn nicht sogar einen großzügigen Obacht-Bumerang-Effekt haben. Was viele Homöopathiebefürworter aber offensichtlich nicht weiter stört. Auch, dass die häufig angeführte und leider oftmals durchaus gerechtfertigte Kritik an einigen Vorgehensweisen der Pharmabranche den Homöopathiebefürwortern für die Lösung der eigenen Probleme absolut nichts bringen. Trotzdem werden sie nicht müde, genau diese für sie irrelevante Kritik ständig immer wieder und wieder und wieder zu wiederholen. Warum eigentlich?

Des Rätsels Lösung liegt im sogenannten Lästerschwester-Effekt (bzw. Rumpelstilzchen-Drama, um bei den Märchen zu bleiben). Wenn man weiß, dass man absolut nichts vorzuweisen hat und argumentativ einfach nicht gut dasteht versucht man halt, den anderen schlecht zu reden und noch mieser dastehen zu lassen, in der Hoffnung sich damit selber aufzuwerten bzw. Von den eigenen Schwächen abzulenken. Mir fällt da jetzt spontan ein Beispiel mit Bullies und Strebern aus der Schulzeit ein, aber da würde ich wahrscheinlich einigen auf den Schlips treten.

Stellen Sie sich folgende natürlich rein hypothetische Situation vor. Zwei Freundinnen haben sich neue Schuhe gekauft. Modische wenn auch günstige peppige Schlappen, die sie direkt Abends anziehen. Und dann kommt da diese…Tussi mit ihren teuren Louboutins und keiner achtet mehr auf ihre flotten Treter. Was also bietet sich mehr an, als sie erst einmal zu dissen? „Na die hat es ja wohl nötig!“; „Hat sie sich bestimmt nicht selber gekauft, sondern von ihrem Typen kaufen lassen.“;“ Bei den großen Füßen sollte sie lieber Planztröge tragen!“;“Und laufen tut sie darin, als ob sie auf einem rollenden Bierfass balanciert.“ Ich denke, die Message ist deutlich. Mach die „Tussie“ mit den teuren Schuhen nieder, dann fühlst Du Dich gleich viel besser. Und wenn andere auch noch mit einstimmen sind die eigenen Discountertreter schnell vergessen. Bevor sich einige Leserinnen hier echauffieren, Männer machen das so mit Autos. Und bevor die Frage aufkommt: Ja, die Pharmabranche ist die Tussi mit den teuren Schuhen. Und die hat sie sich verdient.

Doch Spass beiseite. Ich hatte ja beim letzten Mal einige Beispiele von Aussagen der Pharmakritiker gebracht. Und da war noch dieses eine Statement, dass mir ein Homöopathieverfechter einmal entgegen schleuderte, welches meiner Meinung nach noch eine tiefergehende Würdigung verdient.

“Sie (Anm.: die Pharmaindustrie) nutzen ihren entsprechenden Einfluss über sogenannten Lobbyarbeit. Dazu gehört nicht nur, dass sie in Deutschland erfolgreich Gesetze verhindern die ihnen nicht passen, sondern es geht auch darum Konkurrenz auszuschalten. Und dazu gehört nun mal die Naturheilkunde und im Verhältnis doch recht günstige Zuckerkügelchen. Dazu wird gezielt Desinformation verbreitet und anderweitig in die Trickkiste gegriffen. So gibt es einige Organisationen und Internetseiten, die mit der Pharmalobby verbandelt sind. Dazu kommt, dass sie natürlich viele Wissenschaftler, Mediziner usw auf ihre Gehaltslisten haben. “

Lobbyarbeit. Hatten wir schon, da sollten die Homöopathen sich nach der Nummer nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Und wenn sich eine Frau Bajic, die ja immerhin Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte ist, mit der Gesundheitsministerin Nordrhein-Westfalens Barbara Steffens trifft, um dort für die Belange der Homöopathie Werbung zu machen darf man wohl anmerken, dass auch der DZVhÄ seine Hausaufgaben gemacht hat.

Der nächste Punkt ist neu. Die Pharmalobbyisten sorgen in Deutschland erfolgreich dafür, dass Gesetze verhindert werden. Tun sie das? Was für Gesetze sind denn das? Vielleicht Gesetze, die die Stammzellenforschung an neuen Embryonen verbieten? Nein, das ergibt ja keinen Sinn, da würden sie sich nur selber behindern. Doch schauen wir einmal auf ein aktuelles Beispiel aus der nahen Vergangenheit. Im letzten Jahr verabschiedete der Bundestag das Antikorruptionsgesetz. Dieses Gesetz besagt, dass die Pharmahersteller alle Zuwendungen an Ärzte, Krankenhäuser oder sonstige Mitarbeiter des Gesundheitswesens offenlegen müssen. Verschweigen sie oder die Ärzte dieses können bis zu drei Jahre Haft drohen. Vorbei die Zeiten, in denen man mit kleinen Aufmerksamkeiten wie bezahlten Schulungsreisen in Wellnessoasen oder ein nettes Urlaubsresort Ärzte und Apotheker von den tollen neuen Medikamenten überzeugen konnte. Eines der vielleicht wichtigsten Marketingtools, die kleinen Zuwendungen an die Vertreiber ihrer Produkte war plötzlich vom Tisch. Das gilt natürlich auch für Hersteller von Homöopathika, denn diese sind ja ebenfalls Teil der pharmazeutischen Industrie. Mal unter uns, sieht für Sie so erfolgreiche Lobbyarbeit zur Verhinderung von Gesetzen aus? Wie muss dann erst ein Misserfolg aussehen?

Doch bleiben wir fair und kommen dem Kommentator einen Schritt entgegen. Natürlich gibt es auch Lobbyarbeit der Pharmabranche, die erfolgreich Gesetze verändert. So geschehen in 2010. Da hat es die Pharmalobby doch tatsächlich geschafft, dass das deutsche Arzneimittelgesetz so verändert wird, dass nicht mehr unterschieden werden darf zwischen der Zulassung und dem Nutzen eines Präparats. Was wiederum bedeutet, dass mit der Zulassung automatisch der Nutzen gegeben ist!

Bisher war es so, dass der Gemeinsame Bundesausschuss aus Kassen und Ärzten solche Arzneimittel, deren Nutzen nicht nachgewiesen ist, von der Verordnung als Kassenleistung ausschließen kann. Mit anderen Worten dürfen Ärzte ihren Patienten dann diese Arzneimittel nicht mehr als Kassenrezept aufschreiben. Nun ist es allerdings so, dass nicht der Gemeinsame Bundesausschuss, sondern statt dessen das Gesundheitsministerium die Kriterien festlegen darf, nach denen der zusätzliche Nutzen neuer Arzneimittel künftig bewertet wird, und zwar in Form einer Rechtsverordnung.

Harte Nummer, was? Doch das Beste ist, dass dieses Argument mit dem Gesetz von einem Homöopathieanhänger kommt. Muss ich hier an dieser Stelle wirklich noch „Binnenkonsens“ rufen? Ist es nicht genau das, was 1996 bezüglich des Binnenkonsens beschlossen wurde, dass bestimmte esoterische Verfahren die keinen Wirksamkeitsnachweis liefern können als besondere Therapierichtung angesehen werden, bei der ein kleines Gremium aus „Experten“ den Wirksamkeitsnachweis selber bestimmen kann damit die Produkte von den Krankenkassen bezahlen werden können?

Ich zitiere mal wieder von Wiki.

„Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss … Empfehlungen abgegeben hat über

1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung ..“ Doch damit nicht genug.

„Ein Binnenkonsens besteht ebenfalls hinsichtlich der Erstattung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie. Der Arzt kann sie bei schwerwiegenden Erkrankungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnen, „sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist.“

Nach dem Erkenntnisstand in der jeweiligen Therapierichtung! In der Homöopathie nennt man diesen Kenntnisstand Aberglaube oder auch Ignoranz. Denn widerlegte oder negative Ergebnisse werden dort leider grundsätzlich nicht anerkannt. Warum sollte also irgendjemand als Argument die Beeinflussung von Gesetzen vorbringen? Obacht, Bumerang.

Konkurrenz ausschalten. Hatten wir auch schon. Homöopathen arbeiten FÜR die Pharmabranche, nicht dagegen.

Günstige Zuckerkügelchen. Nun, da man theroretisch für die Herstellung von Homöopathika nichts benötigt, sondern mit einem Gramm von irgendwas ganze Tonnen von Zuckerkügelchen (das Pfund 25 Euro) bestäuben kann wundert es nicht, dass diese Zuckerkügelchen günstig sind, vorausgesetzt man erachtet 500 Euro für ein Pfund Zucker als günstig. Dass im Gegensatz dazu Medikamente, die in der Entwicklung schon Millionen kosten nicht für den Preis von einem Pfund Kaffee angboten werden liegt denke ich auf der Hand. Ehrlich, kaufen sie sich ein Pfund Rohglobuli in der Apotheke, packen Sie ein nettes Label drauf, schreiben Sie Anti-Regensis C30 drauf und verkaufen Sie es, es kann sowieso niemand nachweisen, dass es nur der Rohzucker aus der Apotheke ist. Und versprochen, der Regen verschwindet immer. Immer. Tolles Geschäft, oder?

Desinformation wird auch noch verbreitet. Ja, so ist sie die böse Pharmamafia. Gut, dass Homöopathen das nicht machen. Haben Sie den Artikel mit den Studien gelesen? Deckung, da kommt schon wieder der Bumera ach zu spät.
Und das die Pharmalobby Wissenschaftler und Mediziner auf ihren Gehaltslisten hat ergibt sich doch irgendwie aus der Sache, oder habe ich da etwas missverstanden? Wen sollen die denn sonst auf ihren Gehaltslisten haben? Autokonzerne? Seit wann entwickeln oder testen die Medikamente?

Bringen wir das Ganze zu einem Abschluß. Kritik an den Machenschaften der Pharmaindustrie ist durchaus gerechtfertigt und notwendig. Denjenigen aber, der gerechtfertigte Kritik an den leicht überprüfbaren Schwachstellen einer nichtmedizinischen esoterichen Spielart vorträgt als Spielball mafiöser pharmakologischer Machenschaften hinzustellen ist nicht nur sinnlos, sondern auch ziemlich dumm, da es einfach nur ein plumper Versuch der Ablenkung ist.

Und wo wir ja das Thema Märchen haben, kennen Sie eigentlich das Lieblingsmärchen der Homöopthieszene? Des Kaisers neue Kleider!

„Und wenn sie nicht gebildet wurden verdünnen sie noch heute.“

Irgendetwas habe ich noch vergessen. Was war das nur? Mein Gedächtnis ist heute wirklich wieder wie Wasser. Ach, jetzt fällt es mir wieder ein.

7 Gedanken zu “Das Märchen von der pösen Pharmamafia™ – Epilog

  1. Pingback: Hurra, wir Homöopathiekritiker bekommen Geld von der Farmerindustrie. Nicht @ gwup | die skeptiker

  2. uwe hauptschueler

    Wenn globuliafine Eltern ihren Nachwuchs dazu erziehen, bei jedem quer sitzenden Pfurz etwas einzuwerfen, ist das für die Pharmaindustrie nicht zum Nachteil. Warum sollte die Pharmaindustrie etwas dagegen unternehmen? Und eine Tochterfirma zu gründen, die mit Zuckerkügelchen Geld verdient, darauf werden die früher oder später auch noch kommen.

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  4. Pingback: Homöopathen-Lobby: Mit Kaulquappen und Quanten nach Multiplikatoren fischen @ gwup | die skeptiker

  5. Norbert Schmacke

    Die böse Pharmaindustrie ist keineswegs total gegen Homöopathie. Schauen Sie auf die Homepage des Bundesverbande der pharmazeutischen Industrie (BPI): dort wird der Nutzen der Homöopathie bejaht. Echt, ist so.

    Norbert Schmacke
    Hrsg. „Der Glaube an die Globuli“, suhrkamp 2015

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    1. Hallo Herr Schmacke,
      Das verwundert mich tatsächlich, herzlichen Dank für die Info, das war mir so noch gar nicht bewusst und unterstützt ja noch einmal das Märchen von der bösen Pharmamafia.

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